DAS LUNSENTRIO69 ARTEN DEN PUBROCK ZU SPIELEN
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69 ARTEN DEN PUBROCK ZU SPIELENPRESSETEXTSONG FÜR SONG:
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So unbestritten die wunderbar kreative Kraft der Destruktion im Fall von z.B. Keith Moons Sprengsatzlegungen, Niki de Saint Phalles Schießbildern oder Pogo in der Straßenbahn ist, so unbesonnen wird leider auch schnell dahergeplappert, dass jede Zerstörung immer auch ein Anfang ist. DIE OFFENBACHER KÜCHENZERSTÖRUNG zumindest ist einer, nämlich der Opening Track des neuen LUNSENTRIO-Albums 69 ARTEN DEN PUBROCK ZU SPIELEN und somit auch der Startschuss beim neuen Label (TAPETE).
Und mit dem zweiten Song auf dem Album sind wir auch schon wie versprochen direkt drin IM IRISH PUB und können es spätestens seit der letzten Runde Kilkenny nur all zu gut nachvollziehen, wie weit weg einem die lästige Songwriterpflicht „bis heut’ neue Lyrics in die Hefter lochen zu müssen“ ist, wenn doch Peter der Wirt gleichzeitig seinen Tullamore Dew in Pintgläsern ausschenkt! „Block sieht heut nichts mehr von mir“ sind die Worte von Werner Enke - alias Schlagertexter Martin, 1968 im Film Zur Sache Schätzchen - als er sich doch lieber mit Barbara und Kumpel Henry amüsiert anstatt seinem Auftraggeber Block neue Verse abzuliefern. „Basti und Nick sehn heut nichts mehr von mir“ sind Hanks Worte in ähnlich seliger Situation mit Kumpel Rouven im Irish Pub, die Tin Whistle im Anschlag, während als Gastmusiker Neil Vaggers und Sebastian Meyhöfer vom Münchner Tuna Trio und Michael „Mufty“ Ruff von der Gruppe Haindling Quetsche, Banjo und Fiddle aus den Koffern packen.
DER MANN AM SIEGESTOR ist eine Randbemerkung zur 2012er Comebackplatte der Gruppe SLIME Sich fügen heißt lügen. Ein ganzes Album ausschließlich aus Gedichten von Erich Mühsam - das war wirklich eine gute Idee! Und dass da Erich Mühsams oft ganz herzlich rührende und auch mal unsinnige und schüttelreimende Seite zu kurz kommt, das liegt schlichtweg an der Slime’schen Politpunk-Perspektive auf sein Werk und ist auch nicht weiter schlimm:Denn mit einem kleinen Nachtrag aus Lunsentrio’scher Perspektive kann der Vollständigkeit auch ganz einfach nachgeholfen werden! Und zwar komplett mit Klarinette (Theresa Loibl) und Posaune (Mathias Götz).Und weiter geht’s mit einer Hommage an einen weiteren Anarcho-Schriftsteller:
Es sitzt der Zahl in seinem LochUnd hämmert in den TastenVon morgens früh bis abends nochEr läßt die Zeit nicht rasten
heißt es in einem Gedicht, das Charlie R. 1974 im „Hobbyraum“ des Knastes Köln-Ossendorf schrieb und seinem Mithäftling Peter-Paul Zahl widmete - Dichter, Drucker, Jamaica-Krimi-Verfasser und Verleger anarchistischer Underground-Zeitschriften wie der FIZZ (Sprachrohr der Umherschweifenden Haschrebellen). Und - kein Lunsentrio-Album ohne einen Reggae drauf - der REGGAE FÜR PETER-PAUL ZAHL wiederum zeugt davon, dass Charlie R. nicht der Einzige ist, den Peter-Paul Zahls Leben und Werk bis heute zu ein paar schönen eigenen Versen inspirieren.
NIX reimt sich auf die Fünf in Mathe, NIX auf Hausverbot im Gold’nen Hahn und DREIMAL NIX auf Heimatminister!Das behauptet zumindest das Lunsentrio. Das Allgemeine deutsche Reimlexikon sieht das etwas anders. Hier steht also Aussage gegen Aussage. Du kannst jetzt entweder den Gesetzmäßigkeiten konventioneller Reimregister oder aber denen des vierten Songs auf dem Album hier vertrauen. Oder aber - so wie es der Refrain des Songs empfiehlt - Dir selbst: Was reimt sich auf Dich? Alles was Du willst! Und was reimt sich auf uns? Alles was wir wolln!Alles was wir wolln!
Wer seit nunmehr 15 Jahren jeden Tag mehrmals die Kreuzberger Adalbertstraße rauf und wieder runter latscht, der schnappt zwangsläufig ein paar Fetzen Türkisch auf. Ganz waschecht klingt das (wie wir mittlerweise wissen) nicht, wie sich Hank durch İNSAN (eine Coverversion der Kreuzberger Gruppe KOBRA) hangelt, und das ist auch gut so. Perfektion gibt’s woanders, nicht bei den vorliegenden 69 Arten den Pubrock zu spielen. Da gibt es dafür Maultrommel, Sopransaxophon und Autofelgen-Percussion.
Zu einem zünftigen PROSIT AUF DIE SARAH BOHN schließlich kann nicht oft genug aufgerufen werden, und warum auch nicht: ein jeder solcher AUFRUFE kostet uns und euch gerade mal 1 Minute und 7 Sekunden.
Die zweite Plattenseite startet mit einer wunderschönen Einkehr am Oi!-the-Tresen. Vermutlich waren es DIE KASSIERER, die dieses kleine Mäuerchen im Herzen Wattenscheids am GETRUDISPLATZ mit der Sprühdose so getauft haben. Eine Einkehr auf ein paar perlfrische Paderborner von gegenüber von Kaufland sei jedenfalls mit diesem schönen Lied mehr als wärmstens empfohlen.
Was für den „süßen aber blöden Typen mit dem Mofa“ aus dem Song NIX gilt - nämlich: kaum wert zu erwähnen - das gilt erst recht für den lästigen Menschenschlag der sogenannten Volksrocknroller. Eigentlich sei’s mit der Aufmerksamkeit dafür auch längst mehr als genug, aber wenn so ein brunftgegerbter Quetschkommodler nun neuerdings das schönste rot-weiß-karrierte Motiv aus Hanks ausgezeichneter Serie seiner Hemden- und Pulloverbilder (siehe seinen Bildband Und im Sommer tu ich malen ALS SCHNEUZTUCH in seinem blöden Merchartikelsortiment verwurstelt, dann ist der Bogen überspannt und mit IN DEN ZILLERTALER ALPEN eine bittere Gegenwehr notwendig.Die SIEBEN SIMITRINGE bedürfen keiner weiteren Worte.
DAS WEICHE WASSER - die zweite Covernummer auf dem Album - singt von der Zeit in der mit „Komm feiern wir ein Friedensfest“ noch nichts anderes gemeint war als „Komm feiern wir ein Friedensfest“ - also von einer Zeit bevor die schönen weißen Tauben auf blauem Grund leider nun hier und da auch auf Veranstaltungen wehen auf denen der Wind definitv aus der falschen Richtung bläst. Gleichzeitig ist die Nummer lebendiger Beweis, dass DIE BOTS trotz alledem noch immer Lauti-tauglich sind.
Und die EWIGE APFELWEINSCHÄNKE POMPIDOU schließlich gibt uns eine wunderschöne Aussicht, dass uns am Ende bestimmt doch nicht die ewige und nüchterne Trostlosigkeit erwartet, die Ludwig Thoma 1911 in seiner Geschichte vom Münchner im Himmel vom Leben nach dem Tod gezeichnet hat, empfiehlt aber auch, sich gut vorzubereiten! Und schon schließt sich auch der Kreis zur ganz ganz oben mal kurz erwähnten Niki de Saint Phalle.